Research Association for Science,
Disarmament and International Security
Deutsch


Research Memorandum

In June 1998 the FONAS-Research Association published a joint memorandum with regard to the situation of science and peace research in Germany. This Research Memorandum is currently only available in German language and can be downloaded here. For further questions feel free to contact us.



 

Forschungsmemorandum

Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS)

Mit einem Forschungsmemorandum möchte der "Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS)" auf wesentliche Forschungsdefizite und auf dringlichen Forschungsbedarf hinweisen, der für die künftige sicherheits- und friedenspolitische Entwicklung in Deutschland von zentraler Bedeutung ist. FONAS ist ein Zusammenschluß von Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern, die wissenschaftliche Fragen der Abrüstung, der Rüstungsbeschränkung und der Nichtverbreitung an deutschen Hochschulen und an anderen Forschungseinrichtungen bearbeiten.

Die in diesem Memorandum vorgeschlagenen Fördermaßnahmen sollen sowohl die Erforschung von wissenschaftlichen Methodengrundlagen und Anwendungsfragen als auch unabhängige Beiträge zur öffentlichen Debatte und Politikberatung ermöglichen. Der Themenschwerpunkt der zu fördernden Arbeiten liegt im Schnittfeld von naturwissenschaftlich-technischer Dynamik und internationaler Sicherheit.

Das Memorandum richtet sich an politische Entscheidungsträger, an die verantwortlichen Vertreter von Wissenschaft, Hochschulen und Förderinstitutionen sowie an die interessierte Öffentlichkeit.

1. Forschungsbedarf und Forschungswirklichkeit

Naturwissenschaft und Technik spielen auch nach Ende des Ost-West-Konfliktes eine herausragende Rolle für drängende Fragen der Friedens- und Sicherheitspolitik sowie der Rüstungskontrolle. Die Einbeziehung des Weltraums, die Elektronisierung und Automatisierung des Gefechtsfeldes, die Entwicklung neuer Waffentypen und die Steigerung der Präzision und Durchschlagskraft der Waffen verstärken erneut die Rüstungsdynamik. Die Ausgaben für militärische und militärrelevante Forschung und Entwicklung sind insbesondere in den führenden Industrienationen, allen voran den USA, allenfalls geringfügig zurückgegangen. Im Schatten einer nur quantitativen Abrüstung, bezogen auf die Größe kampfbereiter Armeen und die Stückzahl zur Verfügung stehender Waffensysteme, wird die qualitative Aufrüstung des nächsten Jahrhunderts in den Forschungslabors vorbereitet. Die Entwicklungsdynamik in Wissenschaftsgebieten wie der Bio- und Gentechnologie, der Informations- und Kommunikationstechnologie, den Werkstoffwissenschaften, der Mikroelektronik, der Nanotechnologie und der Nukleartechnologie lassen neue oder fortentwickelte Waffensysteme und neue Bedrohungen erwarten. In den USA spricht man von einer "Revolution im militärischen Bereich'', die jetzt wissenschaftlich vorbereitet wird. Einen Eindruck der militärtechnologischen Möglichkeiten der Zukunft und ihrer Folgewirkungen gab bereits der Golfkrieg von 1991.

Auch im Bereich der Massenvernichtungswaffen kann alles andere als Entwarnung gegeben werden. Die Aufrechterhaltung des Atomwaffenbesitzes und die wissenschaftlich gestützte Verfeinerung der Nuklearwaffen durch einige Kernwaffenstaaten wird ebenso vorangetrieben wie die Entwicklung entsprechender Einsatzdoktrinen. Ein weiteres Warnsignal sind die indischen und pakistanischen Atombombentests sowie die angestrebten Laborexperimente und Computersimulationen der nunmehr acht Kernwaffenstaaten. Gleichzeitig bemüht man sich international, die Bio- und Chemie-Waffenkonventionen wirksamer und wasserdichter zu machen, u.a. durch Aufbau einer naturwissenschaftlich absicherten Verifikation.

Angesichts der beschleunigten Entwicklung der qualitativen Rüstungsdynamik sind naturwissenschaftlich abgestützte Analysen zur Klärung von tiefer liegenden Zusammenhängen unerläßlich. Das vorrangige Ziel ist:

  • das Erkennen von Eingriffsmöglichkeiten und
  • die Entwicklung neuer Abrüstungs- und Rüstungskontrollkonzepte.
Diese Anstrengungen von wissenschaftlicher Seite sind umso notwendiger, da Abrüstung und Friedenssicherung weiterhin hochrangige Ziele der Politik sind. Die dafür notwendige Forschung beinhaltet beispielsweise:

  • die Analyse und Weiterentwicklung von Konzepten zur Nichtverbreitung gefährlicher Waffentechnologien (wie Kernwaffen),
  • die Forschung und Entwicklung für neue Verifikationsmethoden,
  • die Frühwarnung vor und die Abschätzung von Folgen neuer Waffentechnologien,
  • den Vergleich von Abrüstungsoptionen und die Erarbeitung von Vorschlägen für internationale Vertragsverhandlungen,
  • die Erarbeitung von Vorschlägen zur vorbeugenden (präventiven) Rüstungskontrolle unter Einschluß der Analyse militärisch relevanter Forschungs- und Technologieentwicklungen.

Eine unabhängige Forschung dieser Art ist in einigen wenigen Ländern bereits etabliert, insbesondere in den USA. Dort veröffentlichte Analysen, die unter herausragender Mitwirkung von Naturwissenschaftlern erstellt wurden, haben seit Jahrzehnten einen erheblichen und unverzichtbaren Einfluß auf die öffentliche Debatte. Beispielsweise wurden der internationalen Staatengemeinschaft immer wieder schlüssige Vertragsvorschläge mitsamt einer tiefgehenden Analyse zugehöriger Verifikationsmöglichkeiten vorgelegt oder der US Congress und die Öffentlichkeit wurden auf drohende Instabilitäten durch neue Waffensysteme hingewiesen.

In Deutschland konnte sich ähnliches bislang kaum etablieren. Zumindest wurde Ende der achtziger Jahre durch ein spezielles Förderprogramm der Volkswagen-Stiftung eine Anschubfinanzierung von entsprechenden Forschergruppen an Universitäten in Bochum, Darmstadt und Hamburg ermöglicht. Hier wurden bereits wichtige Beiträge zu Fragen der Abrüstung, Rüstungsbeschränkung, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und Verifikation von internationalen Abrüstungsverträgen erarbeitet. Dies läßt sich nicht zuletzt daran messen, daß die entstandenen naturwissenschaftlich orientierten Forschungsgruppen regelmäßig für die Politikberatung auf Bundesebene angefragt wurden und auch in internationalen Foren starke Beachtung finden (z.B. Überprüfungskonferenzen für den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag). Trotz dieser Erfolge ist es den vorhandenen Förderinstitutionen bisher nicht gelungen, dieser langsam wachsenden neuen Expertise eine beständige Infrastruktur in der deutschen Forschungslandschaft zu schaffen. Bislang konnten nur drei NaturwissenschaftlerInnen längerfristigere Stellen in entsprechenden Forschungseinrichtungen antreten. Der Rest des inzwischen beachtlichen Arbeitspensums kann nur über kurzfristige Projektmittel und spärlich fließende Drittmittelquellen von einigen qualifizierten, aber immer wieder stellenlosen WissenschaftlerInnen und durch Nebentätigkeit einiger HochschullehrerInnen geleistet werden.

Vielversprechende Ansätze in unserem Land werden nun vom Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit e.V. (FONAS) vertreten und der interessierten Öffentlichkeit gegenüber bekannt gemacht, damit perspektivisch eine bessere Basis für diese Arbeit erreicht werden kann. Mit diesem Engagement von NaturwissenschaftlerInnen, das in interdisziplinäre Forschungszusammenhänge eingebettet ist, wird eine spezifische Ergänzung der traditionell weitgehend gesellschaftswissenschaftlich orientierten Friedens- und Konfliktforschung angestrebt.

Mit wissenschaftlichen Arbeiten, die mathematische und naturwissenschaftliche Methoden verwenden, sollen wegweisende Beiträge zu Fragen von Abrüstung, Rüstungsbeschränkung und Nichtverbreitung geleistet werden. Dies ist von hoher Relevanz, wenn der Übergang von einer Welt, die durch die Blockkonfrontation und die atomare Abschreckung gekennzeichnet war, in eine gerechtere Welt der friedlichen Konfliktaustragung gelingen soll. Eine friedensfördernde Rolle deutscher Politik braucht die Unterstützung durch unabhängige, naturwissenschaftlich orientierte, interdisziplinäre Forschung zu Fragen der Abrüstung und internationalen Sicherheit.

Es ist im allgemeinen und öffentlichen Interesse, daß eine solche Forschung mit dauerhaft gesicherter Perspektive und in Unabhängigkeit, d.h. weitgehend frei von direkten Regierungsaufträgen, durchgeführt werden kann. Notwendig wäre eine institutionelle Förderung durch den Bund als Hauptinteressent der Arbeitsergebnisse. Dies kann am ehesten durch eine vorrangige Förderung hochschulischer Forschergruppen erreicht werden. Zusätzlich ist - auch in Zeiten knapper Mittel - eine Unterstützung durch die zuständigen Landesministerien erforderlich.

2. Forschungsagenda

Die als notwendig erachteten Forschungsarbeiten sind gekennzeichnet durch ihre interdisziplinäre Anlage, ihren naturwissenschaftlichen Kern, die Verbindung von Grundlagenwissen mit anwendungsnahen Fragestellungen und die Orientierung an Problemlösungsstrategien.

Zu den verwendeten Methoden gehören theoretische und computergestützte Berechnungen, Experimente im Labor und vor Ort, mathematische Modellierung sowie die Sichtung und Analyse von Fachliteratur der verschiedensten betroffenen Disziplinen.

Zu den wesentlichen Fragestellungen für die Forschung, die bearbeitet werden können und sollen, gehören:

1. Vorschläge für Abrüstung und Rüstungsbeschränkung

  • Erarbeitung von aktuellen und politisch relevanten Vorschlägen zu Abrüstung und Rüstungskontrolle (beispielsweise im Bereich der Massenvernichtungswaffen) aufgrund naturwissenschaftlich-technischer Expertise
  • Analysen zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und von Zusammenhängen militärischer Hochtechnologie mit der Technologiedynamik im zivilen Bereich
  • Analysen und Vorschläge zur konventionellen Abrüstung und Vertrauensbildung unter technologischen Aspekten (beispielsweise neue Waffentechnologien und ihre Beschränkung)
  • Analysen und Vorschläge für defensive Streitkräftestrukturen und -ausrüstungen

2. Technische Mittel und Verfahren zur Verifikation und Friedenserhaltung
  • Entwicklung von Verifikationsmaßnahmen zur Vermeidung der militärischen Nutzung von Hochtechnologie und zur Kontrolle von Abrüstungsmaßnahmen (Beispiele: Überwachung der Plutoniumabtrennung durch Detektion radioaktiver Spurengase, Tritiumkontrolle, Verifikation von Toxin- und Biowaffen, Kontrolle von Weltraumtechnologien)
  • Bereitstellung von Verfahren zur Kontrolle vorhandener militärischer Potentiale oder zur Überwachung von Rüstungsbeschränkungsmaßnahmen (Beispiele: Sensoren für Landfahrzeuge und Flugzeuge, automatische Verarbeitung von Luftbildern)
  • technologische Unterstützung für friedenserhaltende UN-Maßnahmen (Beispiel: Sensorüberwachung von Waffenstillstandsabkommen)
3.Qualitative und vorbeugende Rüstungskontrolle und Rüstungsbeschränkung
  • Analyse von technisch induzierten Destabilisierungstrends durch vorausschauende Wissenschafts- und Technikfolgenabschätzung unter Einschluß von Rüstungstechnikfolgenabschätzung mit dem Ziel einer vorbeugenden Eingrenzung bzw. Vermeidung (Beispielfelder: Laser, Mikrowellen, Trägheitseinschlußfusion, Beschleunigertechnologie, Nanotechnologie, Mikrobiologie, Informations- und Kommunikationstechnologien)
  • Früherkennung und Frühwarnung im Bereich ziviler wissenschaftlich-technischer Entwicklungen unter Berücksichtigung der Analyse von Rüstungsmodernisierungstrends (Beispiel: Analyse der zivil-militärischen Ambivalenz und des Dual-use-Potentials in spezifischen Forschungs- und Technologiefeldern, Analyse spezifischer Rüstungstrends wie elektromagnetische Kanone oder nicht-tödliche Waffen)
  • Untersuchung der Wechselwirkung von Weiterentwicklung und Weiterverbreitung neuer Technologien mit regionaler und globaler Stabilität sowie Rüstungskontrollzielen (Beispiel: Verbreitung und Entwicklung sensitiver Nukleartechnologie)
  • Beiträge zur Neukonzeption von Rüstungskontrolle und Rüstungsbeschränkung nach Ende des Ost-West-Konfliktes unter Einbeziehung wissenschaftlich-technischer Aspekte (Beispiel: Entwicklung von Konzepten präventiver Rüstungskontrolle)
4. Konversion militärischer Hochtechnologie
  • Untersuchungen zur zivilen Umnutzung von militärisch dominierten Forschungsprojekten und Hochtechnologien für zivile Zwecke (Beispiel: Nutzbarkeit militärischer Ressourcen im Umwelt- und Katastrophenschutz)
  • Studien zur Konversion von Einrichtungen der militärischen Forschung und Entwicklung (Beispiel: Fachkompetenz für Untersuchungen im Bereich neuer Werkstoffe)
  • Untersuchungen dazu, wie eine Konversion möglichst irreversibel gemacht werden kann und ob der mögliche zivile Nutzen für spezifische Hochtechnologieprojekte gesellschaftlich akzeptabel erscheint
  • Beiträge zur Beseitigung von Altlasten des Kalten Krieges und von bewaffneten Konflikten (Beispiele: Eliminierung von Waffenplutonium durch technische Maßnahmen, Detektion von Minen)
5. Modellierung komplexer Systeme
  • Beiträge zum theoretischen Verständnis der Aufrüstungs- und Abrüstungsdynamik (Beispiel: Analyse der Bedingungen für Sicherheit und Stabilität)
  • Modellierung von sicherheitspolitischen Entscheidungsprozessen (beispielsweise zur Abwägung von Kosten, Nutzen und Risiken oder zur Bewertung von Steuerungsmöglichkeiten)
  • Kontroll- und spieltheoretische Analysen von Entscheidungssituationen (Beispiel: Vorteile- und Nachteile von Kooperation bzw. Konkurrenz)
  • Spieltheoretische Untersuchungen von Betrugsmöglichkeiten und Gegenstrategien bei Stichproben-Inspektionen
  • kritische Beurteilung der Grenzen mathematischer Modellierung im Bereich sicherheitspolitischer Planungen
6. Zusammenhänge von globaler Umweltveränderung mit internationaler Sicherheit
  • Dynamische Konfliktsimulation in der Sicherheits- und Umweltpolitik
  • Analyse naturwissenschaftlich-technischer Einflußfaktoren in Umwelt- und Ressourcenkonflikten (Wasser, Energie, technischer Wandel, Klimawandel)
  • Theoretische Untersuchung der Verbindung militärischer und nicht-militärischer Dimensionen der Sicherheitspolitik
  • Umweltverträglichkeit und Umweltgefahren von Rüstung und Waffensystemen

3. Notwendigkeit von Förderkonzepten

Die bisher gewachsenen naturwissenschaftlichen Zusammenhänge konnten weder in den Genuß der bereits 1983 ausgelaufenen Förderung der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK) noch der seit 1993 auslaufenden Sonderförderungsprogramme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Bereich Friedens- und Konfliktforschung kommen.1 Vor allem dem Engagement der Volkswagen-Stiftung ist es zu verdanken, daß sich überhaupt eine entsprechende neuartige Forschungsszene vorläufig etablieren konnte.

Die Gründung von FONAS im Frühjahr 1996 erfolgte mit dem Ziel, die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu stärken und der Öffentlichkeit einen verläßlichen Ansprechpartner zu geben. Regelmäßige Fachtagungen und Arbeitssitzungen sorgen für eine zunehmende inhaltliche Vernetzung der existierenden Forschergruppen. Halbjährliche Fachgespräche in Bonn dienen der Arbeit an der Schnittstelle Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Die Expertise der FONAS-Mitglieder ist inzwischen in der Bonner Politik nachgefragt. Dies zeigt auch die Arbeit einiger FONAS-Mitglieder bei Studienprojekten zur präventiven Rüstungskontrolle, die über das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) organisiert wurden.

Aus dem FONAS-Kreis wurden in den letzten Jahren 11 Doktorarbeiten und eine Reihe von Diplomarbeiten abgeschlossen. Weitere Beiträge zur Lehre an den Hochschulen wurden durch fachspezifische und interdisziplinäre Seminare und Vorlesungen geleistet.

1998 gelang die Anbindung der Forschungsgruppen an eine wichtige Fachgesellschaft, die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG). Nachdem seit 1995 mehrfach FONAS-Mitglieder die Organisation von Fachsitzungen zu Abrüstung und Verifikation bei den Frühjahrtagungen der DPG übernommen hatten wurde 1998 durch Beschluß des Vorstandsrates der DPG ein Arbeitskreis ``Physik und Abrüstung'' in der DPG eingerichtet.

Auf internationaler Ebene bestehen intensive Arbeitskontakte zu einschlägigen Forschungsgruppen und -institutionen am Massachusetts Institute of Technology, der Princeton University, der Harvard University und der Union of Concerned Scientists (USA), sowie zu wissenschaftlichen Arbeitsgruppen in Rußland, England, Schweden, Ungarn, den Niederlanden, Pakistan und China. FONAS-Mitglieder haben internationale Konferenzen, Workshops und Sommerschulen veranstaltet oder mitorganisiert. Zum Teil war dies nur möglich durch die Unterstützung US-amerikanischer Stiftungen. Forschungsergebnisse und beratender Sachverstand konnten bei Instituten und Untergliederungen der Vereinten Nationen sowie bei den von der UN veranstalteten Überprüfungskonferenzen wichtiger Rüstungskontrollverträge eingebracht werden.

Diese langjährige Aufbauarbeit steht nun in Frage. Die Forschung kann nur erhalten bleiben und sich weiterentwickeln, wenn eine langfristige Finanzierung von Wissenschaftler- und Hochschullehrerstellen in dauerhaften Projektzusammenhängen ermöglicht wird.

Die Beständigkeit einer unabhängigen Expertise im beschriebenen Arbeitsbereich sollte vorrangig durch den Bund geschaffen werden. Dies erscheint von der Themenstellung her angemessener, als nur auf das Engagement der Länder zu vertrauen oder auf dasjenige der durch Mittelkürzungen unter Druck geratenen Hochschulen zu setzen. Gleichwohl ist die Hochschulforschung durch ein besonderes Maß an Unabhängigkeit gekennzeichnet, was für eine stärkere Etablierung an den Hochschulen spricht, und die Politik der Länder, die sich ihre föderal geregelten Hoheiten im Forschungs- und Bildungsbereich stets sichern, sollten nicht allzu schnell aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Würde die intendierte wissenschaftliche Arbeit dagegen weitgehend als Auftragsforschung (etwa für einzelne Fachministerien des Bundes oder für die Industrie) durchgeführt, wäre die Veröffentlichung der Ergebnisse nicht gesichert und die Unabhängigkeit der Forschung laufend in Gefahr. Der Vorteil der Förderung einer Forschung, die in hochschulische Kontexte eingebunden ist, besteht auch in der Kombination von Forschung und Lehre, die für eine beständige Fortentwicklung des Forschungsansatzes, für die Verbreitung seiner Ergebnisse sowie für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses dienlich ist. So ausgebildete NaturwissenschaftlerInnen könnten beispielsweise in Fachgremien der Bundesregierung, in Ministerien, in Abgeordnetenbüros, in internationalen Organisationen oder in nichtstaatlichen Organisationen hervorragende Dienste leisten.

Daher erscheint es angemessen, folgende Fördermaßnahmen auf Bundesebene anzuregen:

  • Start eines Förderprogramms für friedens- und sicherheitspolitische Forschungsarbeiten unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten beim für Wissenschaft und Forschung zuständigen Bundesministerium, mit dem Ziel, mehrjährige Forschungsprojekte mit Personal- und Sachmitteln zu unterstützen (etwa beginnend mit 500.000 DM pro Jahr, aufwachsend auf 2 Millionen DM jährlich innerhalb von 5 Jahren).
  • Möglichkeit der Einrichtung einer unabhängigen, aber regierungsnah arbeitenden wissenschaftlichen Beratungsinstanz, die zu Abrüstungsfragen Gutachten und Projekte vergeben kann, um einen breiten und in die Tiefe gehenden Sachverstand für die Politik nutzbar zu machen (als Vorbilder können teilweise die US-Einrichtungen des früheren Office of Technology Assessment (OTA) und der Arms Control and Disarmament Agency (ACDA) dienen).
  • Einbettung der vorgestellten naturwissenschaftlich orientierten Themenstellungen in Gestaltung und Aufbau einer Deutschen Stiftung für den internationalen Frieden (eine solche Stiftungsidee wurde bereits 1996 unter Beteiligung von FONAS vorgeschlagen), in der die entsprechende Forschung ihren Platz findet.
Daneben sind zusätzliche Maßnahmen zu empfehlen, die der Stabilisierung und Wirksamkeit der intendierten längerfristiger ausgerichteten Forschungszusammenhänge dienlich sind:

  • Die Förderung von insbesondere hochschulischen Forschergruppen durch die zuständigen Landesministerien mit längerfristigeren Personalmitteln und Wissenschaftlerstellen ist dringlich, wenn stabile Forschungszusammenhänge erhalten bzw. aufgebaut werden sollen. Hochschulen sollten auch von sich aus aktiv werden, um entsprechende Stellen zu schaffen.
  • Naturwissenschaftliche Fachbereiche sollten überlegen, ob bei der Neuausschreibung freiwerdender Hochschullehrerstellen die Berücksichtigung von oder die Umwidmung zu Themenstellungen im Bereich Abrüstung, Verifikation, Technikfolgen möglich erscheint. Solche Professuren könnten auch an vorhandene oder zu gründende interdisziplinäre Forschungseinrichtungen gebunden werden. Auf Zeit vergebene Stiftungprofessuren, die anschließend von den Hochschulen übernommen werden sollen, könnten eine Vorreiterrolle übernehmen.2
  • Ausstattung eines Stipendienprogramms für etwa einjährige Tätigkeiten von NaturwissenschaftlerInnen mit entsprechender Forschungserfahrung als Abgeordnetenmitarbeiter, um einerseits direkt die Schnittstelle Wissenschaft und Politik zu bedienen und um andererseits dazu beizutragen, daß die in Deutschland noch immer viel zu hohen Schranken zwischen dem akademischen und politischen Bereich überwunden werden.
  • Gesetzliche Regelungen zu einer Verbesserung der Transparenz über militärische und militärisch relevante Forschung und Entwicklung könnte manche naturwissenschaftlich orientierte Forschung im Grenzbereich des zivilen und militärischen Gebrauchs von neuen Entwicklungen in Wissenschaft und Technik überhaupt erst eine solide Basis geben.3
Die Eröffnung von Wegen zur Förderung einer naturwissenschaftlich orientierten Abrüstungs- und Rüstungskontrollforschung auf Bundesebene, auf Länderebene und durch weitere Forschungsförderinstitutionen ist unserer Meinung nach unabdingbar. Insbesondere die Bundespolitik ist hier herausgefordert, entsprechende und angemessene Förderinstrumente zu schaffen.

Nur auf diese Weise können - aus unserer Sicht - unverzichtbare Beiträge aus der Wissenschaft zur Politik der Friedenssicherung und Abrüstung geleistet werden, die von einem unabhängigen naturwissenschaftlich-technischen Sachverstand getragen sind.

23. Juni 1998

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